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Anonymes Individuum Mensch?
© 1997-10-01 / Mario Konrad

Der allgemeine Trend heute ist alles zu modernisieren. Für uns heisst modernisieren nicht etwa unsere Arbeit zu verbessern sondern eher unsere Arbeitsweise zu verändern. Modern arbeiten heisst mit Computern und andern wundersamen Maschinen zu arbeiten wobei wird das Ziel ziemlich gut erreichen. Allerdings vielfach mit der Einbusse von Effizienz. In erster Linie produzieren wir nicht mehr, wir verarbeiten. Wir verarbeiten Daten, welche schon ein Anderer verarbeitet hat und schlussendlich wissen wir nicht mal mehr woher die ursprünglichen Daten überhaupt gekommen sind oder was mit ihnen passiert, nachdem wir sie verarbeitet haben. Die Beschaffung, der Handel und die Verarbeitung von Daten ist ein Merkmal unserer digital technisierten Informationsgesellschaft. Von Firmenbüros bis zu den staatlichen Verwaltungsapparaten wenden sich alle dieser neuen Epoche, dem Informationszeitalter zu. Die Verarbeitung und die Verwaltung von Allem und Jedem wird per Maschine realisiert. Dass dies nicht nur Vorteile hat liegt auf der Hand.

“Wenn schon verwalten, dann soll es auch effizient sein!” Unter diesem Leitspruch wird nun alles, das verwaltet werden muss, digital als Nummer erfasst. So entstehen Millionen bis Milliarden Datensätze und Datenbanken. Bei der Lagerhaltung von Gütern hat niemand etwas dagegen. Dort ist man froh eine Maschine als Helfer zu haben. Bei der Verwaltung von Daten von Menschen fühlen wir uns aber persönlich angegriffen. Wir fühlen uns in unserer Privatsphäre verletzt und überwacht. Natürlich hat niemand Einwende wenn es darum geht effizient zu arbeiten aber nicht auf diese Weise wenn es um uns und unsere Persönlichkeit geht.

Das Problem ist aber nicht unbedingt, dass alle mit den Maschinen arbeiten möchten, sondern dass die Menge die es zu überblicken gilt zu gewaltig, zu umfassend ist. In kleinen bis kleineren Betrieben, die noch nicht eine allzu komplexe Infrastruktur besitzen, haben die Mitarbeiter keine Nummern. Sie sind als Individuum mit Namen bekannt. Wird der Betrieb jedoch grösser und grösser, so wird der Verwaltung wegen auf Nummern oder ähnliche kryptische Bezeichnungen umgestellt. Der Name wird so zu einer Nebensächlichkeit. Bei der Verwaltung eines Staates oder eines Staatenkomplexes ist die Situation noch prekärer. Millionen von Menschen wollen in einer Datenbank erfasst werden. Eine effiziente Verarbeitung von Hand wird da fast unmöglich. Alle Menschen als Individuen zu betrachten und deren Daten auch noch individuell verwalten zu wollen wäre unrealistisch. Wir brauchen also eine gewisse Normierung da wir alle darunter leiden wenn ineffizient gearbeitet wird. Wer will schon auf seine Lohnabrechnung drei Monate warten oder zu viel Steuern bezahlen. Wir dürfen deshalb die Substitution unseres Namens durch eine Nummer nicht als persönlichen Angriff auffassen. Es werden dadurch ja auch keine Menschenrechte verletzt. Bei einigen Dingen haben wir uns schon an diese Anonymität gewöhnt wir empfinden sie sogar als angenehm. Die Kreditkarte ist eines der schönsten Beispiele. Wir können weltweit zum aktuellen Devisenkurs sehr bequem bezahlen. Mit Hilfe der Kreditkartennummer wird dann automatisch auf dem richtigen Konto der Betrag abgebucht und wir brauchen uns nicht weiter darum zu kümmern.

Doch so einfach ist die Situation auch nicht. Welche Daten sollen erfasst werden, wer hat Zugriff auf diese Daten, wie werden diese Daten verarbeitet und wer bestimmt dies Alles? Hier könnte wirklich ein Eingriff in unsere Privatsphäre geschehen. Leider ist unsere Gesetzgebung zur Klärung dieser Fragen nicht ausreichend, zum Teil nicht einmal darauf vorbereitet. Es gibt ein Datenschutzgesetz, da es aber sehr biegsam formuliert ist, ist es nicht immer hundertprozentig klar, wer nun im Recht ist. Eine schärfere Gesetzgebung träge zu einer viel grösseren Komplexität in gewissen Bereiche und somit zur Ineffizienz bei. So müsste z.B. jeder schriftlich sein Einverständnis zur Datenerfassung geben. Nur diese Einverständnisse wären ja auch wieder Daten die es zu Verwalten gilt und somit ist man keinen Schritt weiter. Die Frage des Zugriffs auf die Daten ist auch eine sehr heikle Angelegenheit. Niemand will, dass der Nachbar oder sonst Jemand Einsicht in die persönlichsten Informationen erhält. Niemand möchte, dass jemand Anders zu viel über ihn weiss und schon gar nicht, dass man überwacht wird. Wer hat nun Zugriff auf welche Informationen und zu welchem Zweck? Tatsache ist, dass niemand eine klare und eindeutige Antwort auf diese Fragen weiss.

Ich denke es hat Alles seine Vor- und Nachteile. Die Anonymität, erreicht durch die Verwendung von Nummern oder Symbolen, kann gerade ein Vorteil sein. So ist es nicht mehr ohne weiteres möglich eine bevorzugte Behandlung durch Beziehungen (“Vitamin B”) zu erlangen. Auch statistische Auswertungen sind einfacher durchzuführen, wegen der Anonymität der in der Stichprobe enthaltenen Personen. Allerdings sollte eine übermässig grosse Datensammlung verhindert werden. Es sollten wirklich nur die Daten abgelegt werden, welche auch wirklich benötigt werden und jeder sollte freie Einsicht in die eigenen Daten haben. Keine Firma und kein Staat soll geheime Datenbanken mit jeder erdenkbaren Information eines jeden Mitglieds der Gesellschaft horten.

Schlussendlich hängt es von uns ab wie Anonym wir werden bzw. bleiben. Wenn wir mit dieser Situation nicht zufrieden sind müssen wir uns darum bemühen sie zu ändern z.B. durch eine bessere Gesetzesgrundlage. Ich glaube man darf die Sache nicht zu eng betrachten und solange diejenigen die alle diese Daten verwalten und verarbeiten sich der Verantwortung, die sie tragen, bewusst sind gibt es auch keinen Grund zur Beunruhigung, und damit sind wir alle gemeint.